Children of the Sun im Test: Im Sog der Rache

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In unserem Test zum neuen Indie-Spiel Children of the Sun erfahrt ihr, wie ein innovatives Spielprinzip stilsicher umgesetzt werden kann. Die Handlung des Spiels nimmt euch mit auf einen düsteren Rachefeldzug, der nichts für schwache Nerven und erst recht nichts für Kinder ist. Denn neben explizit dargestellter Gewalt sind die Assoziationen, die durch die einfachen Bilder geweckt werden, entsetzlich und furchterregend. Ein Trip ganz nach unserem Geschmack.

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Screenshot aus Children of the Sun

Children of the Sun ist das neueste Werk des deutschen Entwicklers René Rother und wird vom Publisher Devolver Digital vertrieben. Es erfindet mal eben ein neues Genre der Einhand-Zeitlupen-Puzzle-Shooter und nimmt euch mit auf die Reise der namenlosen Protagonistin, die es auf nichts als Rache für ihren Vater abgesehen hat, der den Machenschaften eines bizarren Kults zum Opfer gefallen ist.

In unserem Test zu Children of the Sun berichten wir euch davon, um was es in dem Spiel überhaupt geht, was die einzelnen Spielmechaniken sind und ob es für euch Sinn macht, das Spiel zu kaufen und zu spielen.

Inhalt

Die Geschichte

Children of the Sun erzählt eine klassische Rachegeschichte mit einfachen Mitteln. Nachdem euer Vater verstorben ist, habt ihr nur noch ein Ziel: Den Schuldigen aufzuspüren und ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Doch das ist gar nicht so einfach, denn der Schuldige ist der Führer eines finsteren Kults (den Children of the Sun) und hält sich in einem schwer befestigten Tempel mitten im dunklen Wald auf. Um ihn zu finden, schnappt ihr euch euer Scharfschützengewehr und macht euch auf die Reise von düsterem Schauplatz zu düsterem Schauplatz.

In fragmentarisch erzählten Bildern erfahrt ihr mehr über den Kult. Jede Mission des Spiels findet an einem anderen Ort statt, an dem ihr nach und nach alle Kultisten ausschalten müsst. Habt ihr das geschafft, geht die Reise zum nächsten Ort weiter.

In einfachen Zwischensequenzen erzählt das Spiel von den Geheimnissen des Kults, von seinen furchtbaren Taten und zieht euch tief hinein in einen Strudel des Wahnsinns.

Beobachten, planen, ausführen – das Spielprinzip

Children of the Sun gelingt es, ein innovatives Spielprinzip stilsicher und präzise umzusetzen, sodass es keine Sekunde langweilig wird. Ihr seid einzig und allein mit eurem Scharfschützengewehr bewaffnet und in jeder Mission habt ihr genau eine einzige Kugel dafür. Deshalb gilt es, diese sehr überlegt einzusetzen, denn in der Regel habt ihr es in jeder Mission mit mindestens fünf bis knapp zwanzig Kultisten zu tun. Und um eine Mission erfolgreich abzuschließen, müsst ihr sie alle treffen und ausschalten.

Deshalb laufen die Missionen in drei Schritten ab. Erstens: beobachten. Bevor ihr euren einzigen Schuss abgebt, könnt ihr eure Spielfigur mit der Maus nach links und nach rechts bewegen. Und zwar nur mit der Maus. Die Tastatur wird in Children of the Sun nämlich gar nicht verwendet. In einem (von Mission zu Mission unterschiedlich großen) Halbkreis könnt ihr den jeweiligen Schauplatz umrunden und die Positionen der Kultisten ausspähen. Je mehr von ihnen ihr entdeckt, desto besser.

Screenshot aus dem Spiel: Auf der Übersichtskarte wählt ihr eure Mission aus

Screenshot aus dem Spiel: Auf der Übersichtskarte wählt ihr eure Mission aus

Zweitens: planen. Mit der mittleren Maustaste könnt ihr die Kultisten markieren und nummerieren. Das ist wichtig. Denn sobald ihr euren Schuss abgegeben habt, seht ihr die Welt nur noch aus der Perspektive eures Geschosses. Und ohne Markierungen verliert ihr schnell den Überblick.

Drittens: ausführen. Sobald ihr den Schuss abgegeben habt, steuert ihr nicht mehr eure Spielfigur, sondern die abgeschossene Kugel. Wenn ihr dann ein Ziel trefft, könnt ihr die Schussrichtung neu bestimmen. Das heißt, ihr könnt sozusagen einen Pfad von Gegner zu Gegner ziehen. Sobald ihr ins Leere oder gegen ein Hindernis schießt, ist die Mission verloren und ihr müsst von vorne beginnen.

Im Verlauf des Spiels lernt ihr Spezialfähigkeiten für eure Gewehrkugel. Zu Beginn kann die Kugel nur geradeaus fliegen in einer fixen Geschwindigkeit. Später lernt ihr, sie zu verlangsamen, leicht abzulenken, die Geschwindigkeit und Wucht zu vergrößern und schließlich, die Richtung komplett zu verändern.

Jeweils neue Fähigkeiten werden in kurzen Tutorial-Missionen vorgestellt, was sehr gut funktioniert. Einzig hätten wir uns gewünscht, dass die Steuerung irgendwo nachlesbar gewesen wäre. Denn einmal nach einer längeren Spielpause haben wir vergessen, wie man die Kugel ablenkt und konnten es nur durch wildes Herumprobieren wieder herausfinden. Doch das ist eine Kleinigkeit.

Mit all diesen Fähigkeiten müsst ihr im späteren Spielverlauf ziemlich komplexe Kultisten-Formationen ausschalten, was einiges an Planung und methodischem Vorgehen erfordert. Aber genau das macht den besonderen Reiz des Spiels aus.

Die Präsentation von Children of the Sun

Der Grafikstil des Spiels ist sehr einfach, aber enorm gut gelungen. Was uns im Test am besten gefallen hat, sind die unterschiedlichen Schauplätze der einzelnen Missionen. Düster und wunderschön sind sie gestaltet. Die Atmosphäre ist von Beginn an unheimlich und verstörend. Mit glühenden Augen starren die Kultisten ins Leere, mit irrem Wahnsinn rasen sie in Autos durch den Wald. Mit einfachen Mitteln gelingt es dem Entwickler, eine Welt zum Leben zu erwecken, die euch in eure unerträglichen Alpträume verfolgt.

Screenshot aus Children of the Sun: eigenwillige, hypnotische Optik

Screenshot: eigenwillige, hypnotische Optik

Das Ganze wird extrem gut getragen von den Sound-Effekten, die irgendwo zwischen mystischen, sanften Gitarrenklängen und brachialem Industrial rangieren. Mit dem Verlauf des Spiels werden die Schauplätze zunehmend surreal. Auch das Verhalten der Kultisten wird immer sonderbarer, überall funkelt es und unerklärliche Energiekreise lenken euer Geschoss ab, Gegenstände schweben in der Luft.

Screenshot aus dem Spiel: Intro einer Mission

Screenshot aus dem Spiel: Intro einer Mission

Die Anforderungen an euer Problemlösungsverhalten verändern sich mit den Schauplätzen. Ein Beispiel ist die Mission Open Mic Abend in der Hölle. Das Vorgehen, das auf den ersten Blick richtig erscheint, stellt sich bald als falsch heraus.

Übrigens ist die deutsche Textausgabe ziemlich cool. Großes Lob dafür!

So schlägt sich das Spiel im Test

Wir haben mit Children of the Sun richtig viel Spaß. Der Mix aus atmosphärischem Trip und fast mathematischer Knobelei trifft voll ins Schwarze. Das methodische Vorgehen aus Beobachten, Planen und Ausführen motiviert über den ganzen Spielverlauf hinweg und steigert sich unserer Meinung nach gegen Ende des Spiels sogar noch. Die Missionen haben genau die richtige Länge und bieten durch die toll gestalteten Schauplätze auch stets genug Abwechslung, um uns bei Laune zu halten.

Wenn ihr Schwierigkeiten mit dem geringen Umfang habt oder euch der einfache Grafikstil nicht anspricht, werdet ihr mit dem Spiel aber unter Umständen nicht richtig warm werden. Auch sei nochmal an den hohen Gewaltfaktor erinnert, der vielleicht nicht jedem von euch gefallen wird.

Die Missionen sind in einem guten Maß abwechslungsreich. Neben dem Standardablauf und den Tutorials gibt es auch eine atemberaubende Verfolgungsjagd in Autos und eine kurze Story-Mission.

Offizieller Trailer von Children of the Sun

Frustration und Belohnung

In den einzelnen Missionen gibt es immer wieder unterschiedliche Lösungswege, deren Austesten sehr viel Spaß macht. Gelegentlich wird das Geschehen um uns herum etwas unübersichtlich. Auch wird das Sichtfeld vereinzelt verdeckt. Zum Beispiel, wenn wir den Fahrer eines Autos treffen, dessen Dach uns dann die weitere Sicht versperrt. Einziger Kritikpunkt hinsichtlich des Missionsdesigns ist, dass es einige Trial-and-Error-Phasen gibt, die auch mit sorgfältiger Planung nicht beseitigt werden können. Das ist in sofern aber nicht weiter schlimm, da uns das Belohnungsgefühl, das sich dann nach jeder Mission einstellt, mit allem versöhnt.

Screenshot aus Children of the Sun: Fragmentarisch wird die Story in den Zwischensequenzen erzählt

Screenshot: Fragmentarisch wird die Story in den Zwischensequenzen erzählt

Die Lernkurve und der Schwierigkeitsgrad sind super gelungen. In der ersten Hälfte des Spiels werdet ihr mit den einzelnen Möglichkeiten eueres Geschosses vertraut gemacht und in der zweiten Hälfte könnt ihr das Gelernte unter zunehmend schwierigeren und komplexeren Bedingungen anwenden.

Insbesondere die letzte Mission hat es dann richtig in sich: In drei Phasen müsst ihr euch bis zum Ziel des Spiels vorarbeiten, das euch dann eine schaurige Pointe um die Ohren haut. Wir waren vom Ende des Spiels jedenfalls sehr begeistert.

Umfang

Der Umfang von Children of the Sun ist recht überschaubar. Uns gelingt der erste Durchlauf in etwas mehr als fünf Stunden. Ein zweiter Durchlauf geht vermutlich wesentlich schneller, da man alle Spielmechaniken und die Standorte der Kultisten kennt.

Es ist wie immer: Uns als erwachsene Spieler mit notorisch wenig Zeit erfreut es, wenn Spiele eher kurz und dafür von hoher Qualität sind. Und deshalb geht der Umfang von Children of the Sun für uns völlig in Ordnung.

Zumal die einzelnen Missionen des Spiels einen vergleichsweise hohen Wiederspielwert haben, da ihr für das effiziente und präzise Bewältigen der Aufgaben mit einer höheren Punktzahl belohnt werdet und es durchaus motivierend sein kann, in den Leaderboards, die nach jeder Mission angezeigt werden, aufzusteigen.

Test-Fazit zu Children of the Sun

Children of the Sun macht als Indie-Spiel alles richtig. Es perfektioniert ein innovatives Spielprinzip und kombiniert es mit einer auf den Punkt stilsicheren Präsentation. Wenn ihr also erwachsene Spieler seid und mit der Idee nur entfernt etwas anfangen könnt, dann legen wir euch ans Herz, dem Spiel eine Chance zu geben.

Wir sind auf jeden Fall sehr gespannt, was wir von René Rother in Zukunft noch an weiteren Spielen erwarten dürfen, denn der düstere Rachefeldzug hier hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

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Test-Wertung

Getestetes Spiel:Children of the Sun
Zusammenfassung:Children of the Sun ist ein innovativer Rätsel-Shooter in einem extrem düsteren Setting, der nichts für schwache Nerven ist.
Autor:Simon Rucker
Bewertung:4 (von 5)

Weitere Informationen zu Children of the Sun

Veröffentlichungsdatum: 09. April 2024
Entwickler: René Rother aus Deutschland
Publisher: Devolver Digital aus den USA
Genre: Rätsel-Shooter
Spielzeit: ungefähr 6 Stunden
Link zum Spiel bei Steam