Cocoon im Test: Welt in einer Kugel

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Das Rätsel-Abenteuer Cocoon ist das neueste Spiel des Gameplay-Designers Jeppe Carlsen. Der Däne dürfte einigen von euch bekannt sein, war er doch an den beiden großartig gestalteten Spielen Limbo und Inside beteiligt. Cocoon greift zwar nicht die düstere Stimmung der beiden Platformer auf, zeigt sich in unserem Test aber als nicht minder atmosphärischer Geheimtipp, der unbedingt einen Blick wert ist.

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Foto: Annapurna Interactive/Geometric Interactive

Um es vorweg zu nehmen: Die Rätsel in Cocoon gehören zum Besten und Originellsten, was wir in der letzten Zeit spielerisch erlebt haben. Die grundlegende Spielmechanik besteht in Sprüngen zwischen verschiedenen Welten. Wie das genau funktioniert, was Cocoon dabei besonders gut macht und wo wir uns noch ein bisschen mehr gewünscht hätten, das erfahrt ihr im folgenden Test.

Inhalt

Die Geschichte von Cocoon

Cocoon erzählt keine Geschichte im eigentlichen Sinne. Vielmehr müsst ihr euch Umgebung und Kontext durch eure Fantasie erschließen. Ihr werdet in einer mystischen Welt ausgesetzt. Ihr seid ein kleiner Käfer mit engelsgleichen Flügeln, der sich auf einer rätselhaften Mission befindet. Auf der Planetenoberfläche leben fremdartige, friedfertige Wesen, bunte Pflanzen wachsen auf roten Felsen. Plattformen schweben im Sturm des Weltalls. Schwindeleregende, filigrane Konstruktionen klettern in den Himmel empor. Ihr könnt Mondvorfahren treffen, müsst insektenartige Aliens bekämpfen, während es stürmt und regnet, oder die Sonne das Wasser geheimnisvoller Sümpfe glitzern lässt.

Die Welt(en) von Cocoon sind ein Geheimnis, ihre Vergangenheit lässt sich nur durch die Kraft der Vorstellung erschließen. Wärend ihr durch die Landschaft wandert, sammelt ihr blütenähnliche Dreiecke, mit denen ihr große Blumen wieder zum Leben erweckt.

Etwas Böses beherrscht den Raum. Was es ist, wisst ihr nicht. Jedoch: Cocoon gelingt es, eine Bedrohung aufzubauen, sodass sich der Zweck eures Vorankommens mit einer Dringlichkeit äußert, die euch selten innehalten lässt, um in der Betrachtung der Schönheit eurer Umgebung zu verharren.

Je weiter ihr in dieser Umgebung vorankommt, desto mehr künstliche Strukturen entdeckt ihr in der bunten Natur. Verwunschene Artefakte säumen den Wegesrand. Teilweise könnt ihr sie dazu verwenden, voranzukommen.

Das Spielprinzip

In Cocoon müsst ihr zwei Dinge tun. Erstens: Ihr müsst euren Weg durch die fremde Welt finden. Mithilfe von ineinander verschachtelten Rätseln erschließt ihr neue Pfade, öffnet Tore, katapultiert ihr euch auf neue Ebenen und findet weitere Welten, die ihr verwenden könnt und durch die ihr hindurch müsst. Zweitens: Ihr müsst eine Reihe von Bossen besiegen. Das sind auch die einzigen Kämpfe in Cocoon.

Gespielt wird am besten mit dem Controller. Und neben den Richtungstasten benötigt ihr im Grunde auch nur einen einzigen weiteren Knopf. Mit dieser Aktion wird sämtliches Interagieren mit Gegenständen gesteuert. In bestimmten Situationen könnt ihr die Taste verwenden, um Spezialbewegungen auszuführen, wie zum Beispiel in den Bosskämpfen.

Was Cocoon so besonders macht, ist die Verschachtelung der Spielwelt. Denn euer Spiel und damit eure Reise beginnt in einer wüstenartigen Landschaft. In sanftes Orange getauchte Hügel breiten sich vor euch aus. Ihr findet euren Weg bis zu dem Punkt, an dem ihr auf einmal riesig werdet, über die Welt hinauswachst. So groß, dass ihr mit einem Mal in einer anderen Welt seid. Die Wüste ist fort, alles um euch herum erstrahlt in saftigem Grün, überall Wasser und farbenfrohe Flora und Fauna.

Screenshot von Cocoon in der lila Welt

Foto: Annapurna Interactive/Geometric Interactive

Doch ist die Wüste wirklich fort? Nein, denn die orangene Welt tragt ihr auf eurem Rücken. Und zwar in Form einer Kugel. Und noch besser: An bestimmten Knotenpunkten könnt ihr zurückkehren in die orangene Welt. Zudem stellt ihr fest, dass euch die orangene Kugel in der grünen Welt bestimmte Fähigkeiten verleiht.

Welten und Fähigkeiten

Und so geht es weiter: Cocoon versetzt euch in Welten und diese Welten könnt ihr in andere Welten tragen, sie dort verwenden. Sie verleihen euch Fähigkeiten wie das Aufdecken von verborgenen Brücken, das Steuern von Pilzen oder die Verformung von Materie.

Und während das Spiel uns langsam immer tiefer hineinführt in die ineinander verschachtelten Mechaniken, kommen wir beim Testen aus dem Staunen nicht mehr hinaus. Den Entwicklern gelingt es auf erstklassige Art und Weise, dass wir immer weiter dazulernen, unsere unterschiedlichen Fähigkeiten immer komplexer einsetzen können, ohne dass das Spiel dabei jemals nervig oder stressig wird.

Ein wesentlicher Punkt in diesem Zusammenhang ist, dass Cocoon Wege und Artefakte hinter uns schließt, sobald wir sie nicht mehr brauchen. Das ist so genial, weil es den extremen Nervfaktor, den Metroidvanias uns gegenüber normalerweise haben, komplett abschaltet. Cocoon ist trotz der komplexen Rätsel immer übersichtlich.

Die Präsentation von Cocoon

Grafisch ist Cocoon recht einfach gehalten, aber in sich zu hundert Prozent stimmig. Die Welten sind liebevoll gestaltet und es gibt an allen Ecken etwas zu entdecken. Überall krabbelt und sprießt es, Sternenstürme wehen um die metallenen Türmchen. Wetter verändert die dramatische Stimmung, Sturm und Regen wechseln sich mit strahlendem Sonnenschein ab. Die Spielwelt von Cocoon ist in hohem Maße lebendig. Die bunten Pastelltöne unterstreichen die eigenartige Stimmung der Welten, das Zusammenspiel aus Natur, Landschaft und mysteriösen Alien-Artefakten weckt unsere Neugierde und verzaubert durch seine Anmut.

Screenshot einer Alien-Szene in Cocoon

Foto: Annapurna Interactive/Geometric Interactive

Auch der musikalische Hintergrund von Cocoon entfaltet eine trippige Kraft, irgendwo zwischen gläsernen Sphären und brachialem Industrial. Wenn ihr die Materie verändert, donnert ein düsterer Rhythmus durch alle Welten. Alle eure Handlungen sind mit finsterer Wucht unmittelbar zu spüren. Und so sind die wandernden Pilze nicht das einzige, was an Cocoon an eine psychedelische Odysee durch das Weltall erinnert.

Die Qualität der Rätsel

Der Star von Cocoon ist allem voran das geniale Rätseldesign. Die verschachtelten Welten und wie sie im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Fähigkeiten, die sie verleihen, verwendet werden können, zeigen sich in unserem Test als Volltreffer. Was wir in Cocoon erleben, macht uns nachdenklich, bringt uns zum Lachen (erwähnt seien hier die wandernden Pilze und das Pingpong-Spiel mit einem der Bosse), erfüllt uns mit Stolz und mit Liebe.

Der rote Faden, der sich von Anfang an und bis zur letzten Sekunde durch das Spiel zieht, ist sinnvoll und enorm gut designt. Wir lernen auf unserer Reise mit jedem Rätsel hinzu, setzen unsere Fähigkeiten in immer komplexeren Szenarien ein und werden mit kontinuierlichen Erfolgserlebnissen belohnt. Cocoon gelingt dabei das Kunststück, immer komplexer zu werden, ohne dabei an Übersichtlichkeit und Fairness zu verlieren. Der Schwierigkeitsgrad nimmt im Verlauf des Spiels immer weiter zu, aber Cocoon wird nie anstrengend oder artet in mühsame Plackerei aus.

Es ist nicht weniger als faszinierend, welche Logik hinter dem ganzen System mit den unterschiedlichen Kugeln liegt. Selbst, als wir an einer Stelle mal bruteforcen müssen, fühlt sich das in Ordnung an und wird vom Spiel sinnvoll bestätigt. Zu gerne würden wir mal die Skizzen und logischen Verknüpfungen sehen, die den Entwicklern als Grundlage dienten.

Apropos Logik. Man muss nicht Mathematik studiert haben, um Cocoon zu meistern. Das Schöne an dem Spiel ist, wie wir uns bei den meisten der Rätsel unserem Gefühl für Richtigkeit hingeben können und uns von einer vagen Intuition leiten lassen können. Meisterlich lässt uns das Spiel die Freiheit, uns treiben zu lassen und die Rätsel als etwas Größeres als die Summe ihrer Einzelteile erleben zu können.

So schlägt sich das Spiel im Test

Warum dann keine Höchstwertung für Cocoon, wenn es doch auf so kunstfertige Art und Weise eine toll gestaltete Welt und befriedigende Rätsel zu einem großen, atmosphärischen Ganzen verbindet? Die Antwort ist gar nicht so einfach. Aber nach unserer Test-Session mit dem Spiel merken wir doch, dass uns das Abenteuer des kleinen Insekts ein bisschen zu schnell zu Ende geht. Schon nach rund fünf Stunden läuft der Abspann über unseren Bildschirm. Und einmal gelöst, verspüren wir keinen besonderen Drang, nochmal von vorne anzufangen – etwa, um alle Errungenschaften zu entdecken.

Außerdem kommt uns das Storytelling der Welt am Ende doch ein bisschen zu kurz. Zwar ist die abstrakte, surreale Erfahrung wirklich vollkommen, aber eventuell hätte es dem Spiel gut getan, ein klein wenig mehr über seine Welt zu verraten.

Aber das sind nur Kleinigkeiten. Und diese Kleinigkeiten schmälern den Gesamteindruck nur geringfügig. In allen anderen Disziplinen schlägt sich Cocoon im Test hervorragend. Auch technisch und aus UX-Gesichtspunkten ist das Spiel toll. Im Test begegnen uns keinerlei Fehler (wir sagen hier absichtlich nicht Bugs) und auch das Speichersystem ist super gelöst. Dort, beim Laden eures Spielstands, sehr ihr auch direkt, welchen Anteil des Spiels ihr schon hinter euch habt.

Ein paar Worte noch zu den Bosskämpfen, denn das Kampfsystem ist originell und die Bosse extrem gut gestaltet: Alle Bosse durchlaufen mehrere Phasen, in denen sie jeweils stärker attackieren. Die Balance ist dabei perfekt. Nachdem ihr die Muster studiert habt, belohnen euch die unterschiedlichen Phasen mit Fairness und Befriedigung. Auch hierbei zeigt sich klar und deutlich: Den Entwicklern von Cocoon ist es in beeindruckender Konsequenz gelungen, jegliche Frustration beim Spieler zu vermeiden.

Offizieller Trailer von Cocoon

Hier sei auch nochmal erwähnt, wie spitze es ist, dass das Spiel Rückwege versperrt und Funktionen von Artefakten deaktiviert, wenn sie nicht mehr begangen werden können oder nicht mehr gebraucht werden. Das schafft so einen guten Flow und minimiert schweißtreibendes Backtracking.

Test-Fazit zu Cocoon

Cocoon ist ein großartiges Erlebnis, das ihr unbedingt gespielt haben solltet, wenn ihr mit Rätsel-Spielen etwas anfangen könnt. Auch für Genre-Fremde ist das Spiel mehr als nur einen Blick wert, denn selten werden Spieler auf eine so geniale Art und Weise an das Rätsel-Design herangeführt. Und selten fühlen sich Lösungen für diese Rätsel so befriedigend und motivierend an.

Hinzu kommt, dass ihr euch in Cocoon auf eine wundervolle Reise durch eure Fantasie begebt, dass das Spiel euch mit auf einen psychedelischen Trip voller Geheimnisse nimmt, dem ihr euch nur schwer entziehen könnt. Diese kleinen bunten Kugelwelten gehören zu einem der eigenwilligsten und liebenswertesten Spieleerlebnisse der letzten Jahre.

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Test-Wertung

Getestetes Spiel:Cocoon
Zusammenfassung:Die kleinen bunten Kugelwelten von Cocoon gehören zu einem der eigenwilligsten und liebenswertesten Spieleerlebnisse der letzten Jahre.
Autor:Simon Rucker
Bewertung:4,5 (von 5)

Weitere Informationen zu Cocoon

Veröffentlichungsdatum: 29. September 2023
Entwickler: Geometric Interactive aus Dänemark
Publisher: Annapurna Interactive aus den USA
Genre: Rätsel-Adventure
Spielzeit: ungefähr 5 Stunden
Link zum Spiel bei Steam